Brigitte Renk
Kaltenkirchen – In einer großen regionalen Tageszeitung war es nur ein kleiner Einspalter:
„Kaiserschnitt bei jedem dritten Baby“. Demnach sind im Jahr 2007 rund 30 Prozent der Kinder per
Kaiserschnitt auf die Welt gekommen. Tendenz steigend.
Was steckt dahinter? Liegen plötzlich mehr Kinder in Steißlage, sind die Babys zu groß oder die
Mütter zu schwach, sie durch eine normale Geburt auf die Welt zu bringen? Oder sind es gar die
gebeutelten Kliniken, die ihren Patientinnen dazu raten, da ein Kaiserschnitt besser von der
Krankenkasse bezahlt wird als eine viele Stunden dauernde normale Geburt? Ein gruseliger Gedanke.
Die Geburt eines Kindes ist immer noch das größte Wunder der Natur – und zwar für Mutter, Vater
und Kind. Das Kind allein sollte den Zeitpunkt entscheiden können, wann es auf die Welt kommt. Und
niemals ein Kostendeckungsplan oder ein Terminkalender – wessen auch immer.
Die freiberufliche Hebamme Regina Schmidt-Scheben aus Kattendorf ist seit 26 Jahren im Beruf tätig
und erkennt das Thema ziemlich klar: „Der Zeitgeist hat sich verändert. Bis vor sechs bis zehn Jahren
noch sollte alles so natürlich wie möglich ablaufen. Die werdenden Mütter heute planen und möchten
die Absicherung. Oft ist das Vertrauen in das eigene Körpergefühl verloren gegangen. Dauert eine
Geburt länger, kommt die Ungeduld der Gebärenden hinzu, die sich auch auf das Kind überträgt. Wir
Hebammen sind ab der achten Woche zuständig. Leider wissen viele Schwangere gar nichts davon.
Wir könnten durch ausführliche Beratungen viele Ängste nehmen.“
Der in Norderstedt praktizierende Gynäkologe Dr. Reinhart Müller sieht noch einen anderen Aspekt
bei der Zunahme der Kaiserschnitte: „Ich sehe auch einen gerichtlichen Aspekt. Die Ärzte wurden
verklagt, weil bei der Geburt eine Saugglocke oder eine Zange eingesetzt werden musste und Mutter
oder Kind dabei Verletzungen davon trugen. Treten Schäden wegen Sauerstoffmangels auf, wird es
immer auf die Geburt zurückgeführt. Da geht man mit einem Kaiserschnitt auf Nummer sicher. Die
Frauen sind bei Komplikationen viel schneller bereit, die Narbe am Bauch in Kauf zu nehmen, die
Angst vor einem Dammriss ist groß. Und fast alle Frühgeburten werden per Kaiserschnitt geholt. “
Leider wird bei allen Überlegungen häufig vergessen, dass ein Kaiserschnitt ungleich mehr Risiken
birgt als eine normale Geburt. Blasen- und Harnleiterverletzungen, reduzierte Fruchtbarkeit,
Gebärmutterentfernung, Atem- und Anpassungsstörungen des Neugeborenen liegen immer noch
höher als bei einer normalen Entbindung.
Heilerin Imke Turau begleitete schon viele Schwangere bis zur Geburt und auch danach: „Jeder
Mensch hat sein eigenes Thema, zu dem ganz bestimmte Merkmale gehören. Eine Kinderärztin sagte
mal in einem spirituellen Seminar, in dem es unter anderem um Seelenwanderung ging, dass die
Geburt charakteristisch für das ganze Leben sei. Der Satz begleitet mich seit dem. Seit acht Jahren
beschäftige ich mich in der Praxis bei Patienten mit dem Thema Perfektionismus. Ordnung, Disziplin,
Fleiß und Hygiene geben einen gewissen Halt, haben aber noch niemanden glücklich gemacht. Die
Herausforderung besteht meiner Meinung nach darin, sich gut vorzubereiten für das, was das Leben
für einen parat hält, und abzuwarten, wann es passiert.
Erschienen in: UMSCHAU
Marlies Zschoyan-Gutschmidt
Hamburger Straße 29 a
24568 Kaltenkirchen